Altersspanne ca. 0 bis 6 Jahre

Kindliche Sexualität – was ist das überhaupt?

Wenn wir Erwachsenen von Sexualität reden, verstehen wir darunter meistens das, was Erwachsene in einer sexuellen Beziehung miteinander leben, also sexuelles Begehren und sexuelle Handlungen. Kinder und Sexualität – das scheint auf den ersten Blick gar nicht zueinander zu passen. Aber auch Kinder sind bereits sexuelle Wesen.

Kinder haben eine andere Sexualität als Erwachsene
Die Sexualität von Kindern hat mit der von Erwachsenen wenig zu tun. So gehen Kinder spielerisch mit ihrem Körper um – es geht ihnen nicht darum, gezielt sexuelle Bedürfnisse zu befriedigen. Sie unterscheiden noch nicht zwischen Zärtlichkeit und sexueller Lust, und ihre Sexualität ist weniger auf Genitalien konzentriert.

Nähe und Geborgenheit erleben – mit allen Sinnen
Babys und kleine Kinder sind zunächst damit beschäftigt, ihren Körper mit all seinen Empfindungen und Gefühlen zu entdecken: Wie fühlt sich mein Rücken an? Mein großer Zeh, mein Ellenbogen? Mag ich am Arm lieber ganz zart oder etwas fester gestreichelt werden? Viele Kinder lieben es, zu Hause oder bei warmem Wetter im Garten nackt zu sein, weil sie dann ihren Körper besser spüren können. Über Körperkontakt zu Erwachsenen oder Geschwistern erleben Kinder vor allem Sinnlichkeit und Geborgenheit und stellen Nähe her.

Kinder wollen alles erkunden – auch ihren Körper
Kinder sind grundsätzlich neugierig, auch wenn es um ihren Körper geht. Sie stellen viele Fragen – zum Beispiel: „Wieso habe ich eine Mumu?“ oder „Wo kommen die Babys her?“ Sie wollen herausfinden, wie ihr Körper funktioniert und wie er sich von anderen unterscheidet. Viele Kinder berühren sich auch gerne selbst und lernen so ihren Körper kennen. Dabei sind sie viel unbefangener als Erwachsene, sie berühren ihre Genitalien meist ohne Scham. Manche Kinder zeigen auch kindliche Formen von Selbstbefriedigung, sie reiben sich zum Beispiel an Stofftieren. In Rollen- und Körpererkundungsspielen lernen sie nicht nur ihren Körper und den Körper anderer Kinder kennen, sie üben dabei auch das soziale Miteinander und den Umgang mit Wünschen und Grenzen. Wenn Kinder beispielsweise Eltern spielen, die „ein Baby haben“, wollen sie damit keine sexuelle Situation herstellen. Sie beschäftigen sich in dem Moment eher mit der Möglichkeit, „groß“ zu sein und sich um andere zu kümmern.

Körpererkundungsspiele: Mit ein paar Regeln völlig in Ordnung
Das Erkunden des eigenen Körpers und des Körpers von Spielgefährt*innen gehört zum Aufwachsen dazu. Die Frage, was bei diesen Spielen „normal“ oder „richtig“ ist und was nicht, lässt sich nicht pauschal beantworten. Manche Kinder sind grundsätzlich sehr zurückhaltend, andere sind besonders wissbegierig und wollen Dinge eher ausprobieren und erkunden. So ist es auch hier: Während manche Kinder kein Interesse daran zeigen, haben andere großen Spaß daran, auf diese Weise ihren eigenen Körper und den Körper anderer kennenzulernen. Was aber immer gilt: Diese Spiele müssen grundsätzlich im respektvollen Miteinander stattfinden und alle Beteiligten müssen freiwillig mitspielen. Solange die Kinder ihre Grenzen respektieren, ist nichts dagegen einzuwenden, dass sie sich ausprobieren.

Körpererkundungsspiele: Das ist wichtig!
• Alle spielen freiwillig mit.
• Nein heißt Nein.
• Es geschieht nichts, was einem Kind weh tut.
• Gegenstände, mit denen man sich verletzen kann, sind tabu.
• Alle Kinder sind ungefähr im selben Alter
• Wer ein komisches Gefühl hat, darf jederzeit Hilfe holen - das ist kein Petzen
Manchmal kann es dennoch passieren, dass Sie bei diesen Körpererkundungsspielen Situationen mitbekommen, die Sie verunsichern.
Wenn ein Kind zum Beispiel die Grenzen eines anderen Kindes überschreitet – vor allem wenn dies wiederholt passiert –,
ist es richtig, einzugreifen und sich Unterstützung und Beratung zu holen.

Wie kann ich mein Kind in seiner sexuellen Entwicklung gut begleiten?

Eine liebevolle und altersgerechte Begleitung in allen Lebensfragen macht Kinder stark.
Das gilt auch bei den Themen Körperlichkeit, Sexualität und Identität.
Das wichtigste Prinzip ist auch hier ein annehmender und offener Blick auf Ihr Kind.
Wenn Kinder das Gefühl haben, ihre Sexualität frei entwickeln zu dürfen, lernen sie, ihren Körper und ihre Bedürfnisse einzuschätzen und anzunehmen.

Nein sagen lernen – Grenzen setzen
Kinder, die sich in ihrem Körper wohlfühlen und erleben, dass ihre Gefühle und Grenzen respektiert werden, trauen sich eher, Nein zu sagen, sollte jemand ihre Grenzen überschreiten wollen.
Dies kann schon in kleinen Alltagssituationen passieren – zum Beispiel kann einem Kind ein liebevoll gemeinter Kuss von Oma zu viel sein.
Wenn Kinder erleben, dass ihre Neugier, Bedürfnisse und Fragen ernst genommen werden,
• entwickeln sie ein positives Gefühl zu ihrem Körper
• lernen sie ihre Bedürfnisse kennen und nehmen sie ernst
• formulieren sie ihre Fragen und Unsicherheiten angstfrei
• spüren sie ihre Grenzen und lernen Nein zu sagen
• respektieren sie leichter die Grenzen anderer
• gehen sie erfüllende Bindungen und Beziehungen ein
• leben sie als Erwachsene eine erfüllende Sexualität.

Wie viel Körperlichkeit mit meinem Kind ist in Ordnung?
Wenn Kinder gehalten, getragen, getröstet und umsorgt werden, fühlen sie sich geliebt und geborgen.
Körperkontakt ist für eine gesunde Entwicklung von Kindern wichtig, umso mehr, je jünger sie sind.
Die Frage, wie viel Körperlichkeit angemessen ist, kann man nicht pauschal beantworten.
Kinder sind so verschieden wie Erwachsene, jedes Kind hat seine ganz eigene Art, körperliche Nähe zu wünschen und zu suchen.

Körperkontakt: immer liebevoll, nie sexuell
Nur eines gilt immer: Die Signale und Grenzen des Kindes müssen zu jeder Zeit beachtet werden.
Wenn Sie zum Beispiel spüren, dass Ihr Kind gerade beim gemeinsamen Anschauen eines Buchs nicht kuscheln will (auch wenn es das am Tag vorher in derselben Situation wollte), sollten Sie dies unbedingt respektieren.
Genau wie Erwachsene haben Kinder ein Recht darauf, dass ihre körperlichen Grenzen und ihre Intimsphäre gewahrt werden.
Dies ist in der UN-Konvention über die Rechte des Kindes festgelegt .

Erwachsene müssen ihre sexuellen Gefühle und Bedürfnisse aus dem Kontakt mit Kindern immer heraushalten.
Sollten Sie dennoch einmal merken, dass Ihr Körper zum Beispiel beim Kuscheln mit Ihrem Kind sexuell reagiert, müssen Sie die Situation sofort beenden.

Eltern dürfen unsicher sein
Manchmal sind Situationen aber nicht eindeutig, und dann ist es für Eltern gar nicht so einfach, zu wissen, was „richtig“ ist.
Bis zu welchem Alter darf ich zum Beispiel mit meinem Kind in die Badewanne gehen?
Ist es in Ordnung, am Strand mit meinem Kind nackt zu sein?
Wie gehe ich damit um, wenn mein Kind sich selbst befriedigt?
Wie kann ich mein Kind darin unterstützen, die eigenen Grenzen zu erkennen und deutlich zu machen?
Ist es in Ordnung, wenn es im Beisein von anderen mit seinen Genitalien spielt?
Solche Fragen können Eltern verunsichern.

Beratungsstellen können helfen
Es gibt Beratungsstellen, die sich mit diesen Themen auskennen und wertfrei auf Fragen von Eltern eingehen.
Sie finden hier kostenfrei und auf Wunsch auch anonym Unterstützung, zum Beispiel bei pro familia oder dem Elterntelefon der Nummer gegen Kummer.
Wenn Eltern Rat suchen, können sie außerdem:
• Erzieher*innen in der Kita fragen
• Gespräche mit anderen Eltern suchen
• „Verbündete“ im Freund*innenkreis suchen
• Elternabende nutzen, um sich in der Gruppe über das Thema auszutauschen
• Infomaterial von Familienberatungsstellen lesen, zum Beispiel die Broschüre „Liebevoll begleiten“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Wie kann ich mit meinem Kind über Sexualität sprechen?

Aufgeklärte Kinder sind starke und schlaue Kinder, weil sie Informationen bekommen und nachfragen dürfen.
Wenn Sie in der Familie offen über Körperlichkeit und Sexualität sprechen, unterstützt das Ihr Kind zudem dabei, sich bei diesen Themen angenommen und sicher zu fühlen.
Und Sie stärken es darin, ein gesundes Selbstbewusstsein in Bezug auf seinen Körper zu entwickeln.

Drüber sprechen: Nicht immer einfach
Manchen Eltern fällt es aber gar nicht so leicht, mit ihren Kindern über Körperlichkeit und Sexualität zu sprechen.
Es kann durchaus ungewohnt sein, sein Kind überhaupt als sexuelles Wesen zu betrachten.
Manche Eltern fragen sich außerdem, ob das Sprechen über Sexualität Kinder überfordert oder sie sogar zu „Erwachsenensexualität“ anregt.
Doch bei einem kindgerechten Umgang mit dem Thema sind diese Sorgen unbegründet.

Kinder haben noch keinen „sexuellen Blick“
Es sind eher Erwachsene, die zum Beispiel bei den Körpererkundungsspielen von Kindern an Sexualität im erwachsenen Sinne denken.
Kinder selbst haben diesen Blick auf ihr Spiel nicht.

Mit „Kinderwörtern“ anfangen
Kinder erkunden ihre Genitalien mit dem gleichen Interesse wie alle anderen Körperteile.
Es ist wichtig, dass sie auch dafür Worte haben und ihre Erlebnisse ausdrücken können.
Die Begriffe können ruhig zunächst verniedlichende „Kinderwörter“ sein.
Bis die Kinder in die Schule kommen, sollten sie zusätzlich auch allgemeingebräuchliche Wörter wie Penis oder Vagina kennen.

Fragen rund um Sexualität kindgerecht beantworten
Woher komme ich?
Wie werden Babys gemacht?
Wie ist das Baby in den Bauch gekommen? Wie kommt es wieder raus? Was isst es im Bauch?
Bekomme ich, wenn ich groß bin, auch eine Vagina wie Mama?
Kann ich meinen besten Freund heiraten?
Kinder haben schon früh viele Fragen rund um die Themen Sexualität, Liebe, sexuelle Orientierung, unterschiedliche Familienformen und Geschlecht.
Wenn Eltern ihnen helfen, diese Dinge zu verstehen, unterstützen sie ihre Kinder dabei, einen selbstverständlichen Umgang mit ihrem Körper zu lernen – und die Dinge, die sie beobachten, besser zu verstehen und einzuordnen.

Bücher können helfen, die passende Sprache zu finden
Manchmal ist es aber nicht so einfach, dabei die richtigen Worte zu finden.
Viele Eltern tun sich damit schwer, zum Beispiel, weil ihre eigenen Eltern mit ihnen nicht in einer angenehmen Sprache über diese Themen gesprochen haben.
Das ist verständlich.
Es kann helfen, diese Dinge mit Hilfe von Büchern zu erklären. Inzwischen gibt es viele Kinderbücher zu den Themen Körper, Gefühle und Sexualität.
Sehen Sie sich am besten verschiedene an und schauen Sie, welche von der Sprache und den Bildern am besten zu Ihnen und Ihrer Familie passen.
Bei pro familia Hamburg und dem Familienplanungszentrum Hamburg können Sie passende Büchertipps erfragen.

Unterstützung bei Beratungsstellen suchen
Auch beim Sprechen über Sexualität können Institutionen wie pro familia oder das Elterntelefon der Nummer gegen Kummer gute Ansprechpartner*innen sein.
Die Mitarbeiter*innen haben viel Erfahrungen damit, diese Themen kindgerecht zu vermitteln.

Wie kann mich die Kita beim Thema kindliche Sexualität unterstützen?

Eltern bzw. Erziehungsberechtigte sind die wichtigsten Bezugspersonen, wenn es um die Erziehung und Begleitung von Kindern geht.
Das gilt auch für das Thema Sexualität. Im Gespräch und im vertrauensvollen Kontakt mit Ihren Kindern können Sie dafür sorgen, dass Ihre Kinder in einer offenen und geborgenen Situation mit dem Thema in Kontakt kommen.
Und auch im Zusammensein mit Freund*innen, Spielkindern oder in der Kita tauchen Fragen zu kindlicher Sexualität und deren Ausdrucksformen auf.
Sie können entscheiden, wie Sie konkret Ihren Kindern sexualitätsbezogene Themen vermitteln – und welche altersangemessenen Worte Sie hierfür benutzen. Förderlich für ihr Kind wäre natürlich, wenn Sie hierbei die Kinderrechte und damit auch das Recht auf sexuelle Bildung von Kindern im Blick haben.
Nutzen Sie Kindertagesstätten als Unterstützung, sexuelle Bildung in Ihre Erziehung zu integrieren und Ihre Kinder hiermit zu stärken.
Vielleicht ist es hilfreich und wichtig für Sie zu wissen, dass es für Erzieher*innen im Bundesland Hamburg seit 2005 die Hamburger Bildungsempfehlungen für die Bildung und Erziehung von Kindern in Tageseinrichtungen gibt. Sie bilden einen verbindlichen Orientierungsrahmen für die pädagogische Arbeit. Die Bildungsempfehlungen enthalten grundsätzliche Aussagen zum Bildungsverständnis und formulieren die Bildungsziele zu unterschiedlichen Themenbereichen für Kinder in Hamburger Kitas.
Die Empfehlungen bilden eine gute Grundlage dafür, dass Sie als Eltern oder Erziehungsberechtigte über die Ziele und Inhalte frühkindlicher Pädagogik mit den Erzieher*innen ins Gespräch kommen und Sie im Rahmen einer Erziehungspartnerschaft aktiv an der konkreten Ausgestaltung beteiligt werden. So auch zum Bildungsbereich „Körper, Bewegung und Gesundheit“, in dem sich die frühkindliche sexuelle Bildung wiederfindet.
(Quelle: https://www.hamburg.de/kita/116828/bildungsempfehlungen/)

Konkret bedeutet dies:
Wenn Kinder im Kita-Alltag Fragen zu ihrem Körper und ihren Gefühlen haben, können Erzieher*innen ihnen diese Fragen beantworten und auch methodische Lernangebote machen. Sie können ihnen außerdem helfen, Beobachtungen aus der Umwelt zu verstehen und einzuordnen – zum Beispiel „sexuelle Werbung“, die Kinder auf Plakaten sehen. Auch die kindliche, sexuelle Entwicklung kann Teil von Entwicklungsgesprächen sein, die regelmäßig mit Eltern geführt werden. Pädagogische Fachkräfte aus Kindertagesstätten sind verlässliche Ansprechpartner*innen für Eltern, auch zum Thema der kindlichen Sexualität.
Erstrebenswert ist ein Zusammenspiel zwischen Kita und Elternhaus und hierfür können Eltern bzw. Sorgeberechtigte bei Fragen, Austauschbedarf und bei Unsicherheiten gerne an die jeweiligen zuständigen Fachkräfte wenden.

Starke Kinder sind besser vor sexualisierter Gewalt/sexuellem Missbrauch geschützt

Je selbstbewusster und informierter Kinder sind, desto besser sind sie auch vor möglichen Übergriffen und sexualisierter Gewalt geschützt.
Kinder, die ihre Gefühle und Eindrücke gut einschätzen können, können besser Hilfe suchen, wenn etwas geschieht, das ihnen unangenehm ist oder sie verletzt.
Hilfreiche Informationen zu diesem Thema finden Sie auch in der Broschüre „Mutig fragen - besonnen handeln“ des Bundesministeriums für Familie.
Bei Verdachtsfällen von sexualisierter Gewalt berät das „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.